von Leandra Rudolph
Angefangen hat die #MeToo-Bewegung in Hollywood mit mehreren Vorwürfen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein. Seitdem hat sich nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland eine Debatte über die Situation im Filmgeschäft angeschlossen. Die besondere Abhängigkeit von Schauspielerinnen von den Regisseuren, Filmproduzenten oder anderen wichtigen Funktionen im Filmgeschäft, die immer noch zum größten Teil von Männern besetzt sind, scheint einer der Gründe für die Ausmaße an sexueller Gewalt in Hollywood oder auch beim deutschen Film zu sein. In der öffentlichen Diskussion wird jedoch zum Teil vergessen, dass auch andere Bereiche diese Form von Abhängigkeit widerspiegeln. Unter anderem im SportlerInnenbuisness sind zum Beispiel die Trainer meistens männlich.
Am 18. Oktober 2017 veröffentlichte die US-amerikanische Kunstturnerin McKalya Maroney (21), auf Twitter, dass sie während ihrer Zeit im Nationalteam sexuelle Übergriffe durch den damaligen Teamarzt Larry Nassar erfuhr. Der ehemalige Arzt hatte dies unter dem Vorwand einer medizinischen Untersuchung getan, das erste Mal als Maroney 13 Jahre alt war. Mit ihrem Post schließt sich Maroney der #MeToo-Bewegung an, mit der Frauen zeigen, dass auch sie Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind. Maroney lenkte damit die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit auf die Gefahren, die beim Sport lauern, wenn solche Themen ignoriert und von verantwortlichen Personen absichtlich „übersehen“ werden. Etwa einen Monat später berichtete Maroneys Teamkollegin Aly Raisman von ähnlichen Erfahrungen mit Nassar. Bei ihr fing die sexualisierte Gewalt mit 15 Jahren an.
Raismans Fall löste unter anderem lauten Protest unter ihren Teamkolleginnen aus, wobei eine von ihnen, Gabby Douglas, einen Ton anschlug, den betroffene Frauen leider häufig zu hören bekommen. Sie teilte, ebenfalls auf Twitter einen Post, in dem sie sagte, dass Frauen eine Verantwortung dafür tragen, wie sie sich kleiden, um nicht die Aufmerksamkeit falscher Leute auf sich zu ziehen. Diese Reaktion, das so genannte „Victim-Blaming“, hindert viele Menschen daran, anderen von den kriminellen Taten, die ihnen widerfahren sind, zu erzählen. Nachdem die viermalige Olympia-Gold-Gewinnerin Simone Biles auf diesen Tweet reagierte und sagte, sie sei geschockt aber nicht überrascht dies von Douglas zu hören, stellte Douglas in einem weiteren Kommentar klar, dass Missbrauch unter keinen Umständen zu rechtfertigen sei. Des Weiteren gab auch sie an, sexuelle Gewalt von Ärzten erfahren zu haben.
Schon im Sommer 2016 wurde eine Studie in der Zeitung USA Today öffentlich, nach der mehr als 350 TurnerInnen sexualisierte Gewalt erfahren haben. Maroney und Raisman, die zu den „Fierce Five“ gehören, dem amerikanischen Team, das 2012 Gold bei Olympia holte, sind die bekanntesten Turnerinnen, die Missbrauchsvorwürfe öffentlich formulierten. Diese Aufmerksamkeit sollte den Sportverbänden genug Druck bereiten, um grundlegende Strukturänderungen vorzunehmen. Denn, wie auch das Zitat von Raisman zeigt, wird den TurnerInnen von klein auf vorgelebt, dass sexuelle Gewalt mit Schweigen und Hinnehmen zu adressieren ist:
“I didn’t know that I was being abused because I was manipulated so horribly.” (Aly Raisman)
Deutscher Breitensport
Ausmaß sexualisierter Gewalt
Doch nicht nur in Amerika ist das Wegschauen ein Problem. Eine Studie der Sporthochschule Köln (2014-2017) machte nun bekannt, dass ein Drittel der befragten KadersportlerInnen schon einmal Opfer einer Form von sexualisierter Gewalt wurde. Bei einer/einem von neun Betroffenen hielt diese Gewalt länger an oder war schwereren Grades. Dabei ist auffällig, dass Frauen deutlich häufiger Opfer sexualisierter Gewalt sind, wobei die Mehrheit unter 18 Jahren ist und war. Die meisten Sportvereine werden außerdem immer noch von Männern geleitet und erschweren es so den Frauen, richtig repräsentiert zu werden. Trotz all dieser Fakten hält nur die Hälfte der befragten Sportvereine dies für ein relevantes Thema und nur ein Drittel arbeitet aktiv an Präventionsmaßnahmen. (»Safe Sport«, Studie der Sporthochschule Köln)
Im Januar 2018 dann ein erneuter Schock: Eine Hamburger Kaderboxerin wirft ihrem renommierten Trainer sexuellen Missbrauch vor. Mit der Facebook-Kampagne #CoachDontTouchMe wollen sie und andere jetzt in Anlehnung an die #MeToo-Debatte auch auf die Probleme im Boxen hinweisen. Initiatorin ist die Hamburger Boxerin Joelle Seydou, die darauf aufmerksam macht, dass im Boxen 99% der Trainer männlich sind. (Spiegel Online). Damit ist eben genau diese Abhängigkeit der Sportlerinnen von ihren Trainern gegeben, die Männer in allen Branchen für sexualisierte Gewalt ausnutzen. Und obwohl dies im Sport häufiger zu sehen ist, darf nicht vergessen werden, dass hier eigentlich nur ein Abdruck einer Gesellschaft zu sehen ist, in der Frauen immer noch durch verschiedene Systeme unterdrückt werden und Männer eine Dominanz ausspielen, die ihnen unter keinen Bedingungen zu steht
Info Sexuelle bzw. sexualisierte Gewalt:
„Als sexueller Missbrauch von Kindern wird jeder versuchte oder vollendete sexuelle Akt und Kontakt zu Bezugs- und Betreuungspersinen (engl. „caregiver“) am Kind aufgefasst, aber auch sexuelle Handlungen, die ohne direkten Körperkontakt stattfinden.“ (Leeb e.a. 2008)