von Anna Köhler
Klartext: Frau Biedebach, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer erfolgrei-chen Wahl zur Schulleiterin der MLS.
Frau Biedebach: Danke schön!
Klartext: Dann beginnen wir mal mit dem Interview.
1. Klartext: Wie verlief Ihre Kindheit in der DDR? Welche Unterschie-de sind Ihnen nach der Wende bezüglich des Schulsystems aufgefallen?
Frau Biedebach: Ich bin in einem Dorf groß geworden, im Spreewald, 80 Kilometer südlich von Berlin. Wir hatten eine Art Bauernhof, viele Tiere und sehr viel Gemüse zum Verkauf im Garten. Meine Kindheit war nicht anders als die vieler Kinder auf dem Dorf, nur weil ich in der DDR aufgewachsen bin. Aber natürlich gab es auch Nachteile, wie zum Beispiel, dass meine Eltern voll berufstätig waren und weniger Zeit für uns Kinder hatten. Dadurch war ich es gewohnt, in eine KiTa oder den Hort gebracht zu werden, was viele berufstätige Eltern auch heute tun.
Unterschiede zum westdeutschen Schulsystem sind mir auch schon sehr früh aufgefallen, weil meine Mutter eine Freundin aus Düsseldorf hatte, die Lehrerin war und auch, da ein Teil meiner Familie im Westen lebte.
Natürlich gab es im Osten andere Unterrichtsfächer, wie die ESP, die Einfüh-rung in die sozialistische Produktionsindustrie, wo wir in einer Fabrik arbeiten mussten.
Daneben gab es auch Unterrichtsfächer wie zum Beispiel Staatsbürgerkunde und Wehrunterricht.
2. Klartext: Wann hatten Sie die Idee Lehrerin zu werden und warum?
Frau Biedebach: Ich hatte diese Idee schon sehr früh, weil ich sehr gerne Sprachen gelernt habe, wie zum Beispiel Russisch. Vor allem wollte ich Lehrerin werden, weil ich auch während der Ferien in Ferienlagern arbeitete, wo ich gemerkt habe, dass ich gerne und gut mit Kindern arbeiten kann.
3. Klartext: Welche Schulfächer waren Ihre Lieblingsfächer? Waren es wirklich Deutsch und Russisch?
Frau Biedebach: Ja, es waren tatsächlich Russisch und Deutsch, da ich, wie vorher schon angemerkt, sehr gerne Sprachen gelernt habe. Aber auch Musik mochte ich sehr und habe im Schulchor am Sorbischen Gymnasium gesungen, mit dem ich unter anderem im DDR-Fernsehen aufgetreten bin.
4. Klartext: Sind die Abiturprüfungen im Vergleich zu Ihren damals einfacher oder schwerer geworden?
Frau Biedebach: Sie sind wahrscheinlich nicht einfacher geworden, doch was ein wesentlicher Unterschied zu heute ist, ist, dass alle Schülerinnen und Schüler damals vier schriftliche Prüfungen, nämlich in den Fächern Deutsch, Mathematik, Russisch und einer Naturwissenschaft und zwei bis fünf mündliche Prüfungen hatten. Deswegen sind die Abiturprüfungen nicht schwerer oder einfacher geworden, aber es war ein Berg an Wissen, den man natürlich lernen musste.
5. Klartext: Welchen Bezug haben Sie zur sorbischen Sprache, da Sie sie ja fließend sprechen?
Frau Biedebach: Ich habe ja im Spreewald gelebt, wie vorher schon gesagt, wo auch heute noch Deutsche und Sorben leben und deswegen alles zweisprachig ist. Aber persönlich habe ich keinen Bezug zu den Sorben, doch da ich auf eine sorbische Schule ging und somit auch auf das sorbisch-sprachige Internat, musste ich auch sorbisch lernen, da Sorbisch zum einen Hauptfach war und auch Geschichte in Sorbisch unterrichtet wurde. Allerdings habe ich schon ziemlich viel vergessen.
6. Klartext: Welche Erfahrungen haben Sie während Ihres Studienauf-enthalts in Russland gemacht?
Frau Biedebach: 1989 studierte ich in Russland, wo ich verschiedene, gute wie auch schlechte Erfah-rungen gemacht habe. In dieser Zeit fiel die Mauer, ich wusste nicht, was wirklich zuhause passierte, konnte nicht frei mit meinen Eltern sprechen, da die Telefonate immer noch abgehört wurden. Ich musste sie an der Arbeit anrufen, da wir zuhause kein Telefon hatten. Aber ich habe die Zeit genutzt, bin viel gereist, war in Estland und in Usbekistan.
Was nicht so gut war, war, dass ich in einem Studentenwohnheim lebte, dessen hygienische Bedin-gungen überhaupt nicht gut. Außerdem wurde unsere Post von zuhause kontrolliert, was natürlich nicht sehr angenehm war.
7. Klartext: Gibt es zur Gleichberechtigung in Ihrem Beruf Unterschiede zu früher?
Frau Biedebach: In den Schulen gibt es seit jeher viele Frauen, auch Schulleiterinnen, aber vor allem an Grundschulen. An Gymnasien haben sich selten Frauen beworben, es war lange eine Männerdomäne. Ich denke, dass wir Frauen hier etwas Nachholbedarf haben. Natürlich ist es manchmal schwer, Familie und Beruf „unter einen Hut“ zu bekommen, allerdings steht man als Schulleiterin auch nicht allein, man hat ein Schulleitungsteam.
8. Klartext: Warum dauerte es an der Martin-Luther-Schule so lange bis zur Einführung der Koedukation?
Frau Biedebach: Dies hat mit der Ausrichtung der drei großen Gymnasien in Marburg zu tun, da die MLS eher solche Unterrichtsfächer wie Mathematik und Naturwissenschaften, die Elisabethschule eher sprachliche Fächer und das Philippinum eher humanitäre Fächer angeboten haben.
9. Klartext: Wie kann man Mädchen in anderen Ländern, denen eine Schulausbildung verwehrt bleibt, helfen und unterstützen?
Frau Biedebach: Ich denke, diesen Mädchen bleibt eine Schulausbildung meistens verwehrt, weil es in diesen Ländern häufig keine wirkliche Tradition der Bildung gibt und die Kinder meistens mit den Eltern arbeiten müssen und dadurch keine Möglichkeit für Schularbeiten haben. Deswegen finde ich es wichtig, dass die Kinder in allen Ländern eine Schulbildung erlangen, sodass sie für das weitere Leben gerüstet und vor allem mündig sind, eine Ausbildung machen oder studieren können und dadurch einen besseren Job bekommen als ihre Eltern. Mein Mann und ich haben eine Patenschaft für ein Mädchen in Bangladesch übernommen, damit Mädchen in solchen Gebieten mehr Bildung erlangen und auch ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen können.
10. Klartext: Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Frau Biedebach: Ich arbeite gerne in unserem Garten und gehe mit unserem Hund spazieren, da ich mich da sehr gut entspannen kann und den Alltagsstress vergesse. Außerdem lese ich gerne historische Romane.
11. Klartext: Was wollen Sie gerne an unserer Schule verändern?
Frau Biedebach: Ich möchte mich auf jeden Fall für die Verschönerung unserer Schule vor den Sommerferien einsetzen. Außerdem will ich die Ausstattung an der Schule verbessern, da ich während der Projekttage auf jeden Fall ein Stockwerk an unserer Schule mit Schülerinnen und Schülern renovieren will. Dies möchte ich gerne mit allen Schülerinnen und Schülern durchführen, damit das Gemeinschaftsgefühl an unserer Schule wächst und sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig helfen.
Klartext: Danke, dass Sie sich Zeit für das Interview mit Klartext genommen haben!
Die Bilder wurden der aktuellen Homepage der MLS entnommen.